Was würde mit unserem Körper, unseren Städten, unserer Psyche und generell unserer Welt passieren, wenn jeder und jede nur noch Fahrrad fahren würde? Sind E-Bikes eine Alternative zu E-Autos? Was ist mit all den Situationen, in denen ein Auto einfach „praktischer“ ist? Kann diese Utopie Wirklichkeit werden?
Was wäre, wenn es keine Autos mehr gäbe? Wenn jeder im Alltag entweder laufen oder bei längeren Distanzen Fahrrad fahren würde?
Statt E-Autos gäbe es nur noch Fahrräder und E-Bikes.
Statt Abgasen gäbe es saubere Luft, die auf einmal wieder Lust auf tiefes Einatmen macht.
Statt Lärm gäbe es plötzlich Ruhe.
Statt gestressten, hektischen Autofahrern gäbe es nur noch entspannte, fröhliche Radfahrer.
Aber was ist, wenn man größere Lasten transportieren muss, zum Beispiel den Wocheneinkauf oder die Kinder? Oder wenn Sie eher nach dem Motto „Sport ist Mord“ leben? Oder wenn es regnet? Und außerdem wollen Sie ja nicht völlig verschwitzt in der Arbeit erscheinen, oder?
Die Frage ist also: Was würde passieren, wenn wirklich alle nur noch Fahrrad oder E-Bike fahren würden? Und wie können mögliche Probleme umgangen werden?
Fahrradfahren als Heilmittel für alle und gegen alles
Fangen wir mit einem offensichtlichen positiven Effekt an, den Fahrradfahren hat: Es ist gesund. Das wird wohl niemand leugnen und noch weniger überraschen.
Aber wie gesund es wirklich ist, das sehen wir hier.
Fahrradfahren für eine stärkere Muskulatur und einen gesünderen Körper
Das Risiko von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird drastisch reduziert. Ebenso hilft das Radeln gegen Fettleibigkeit, denn schon in 10 Minuten verbrennen wir etwa 97 Kalorien. Mit den täglichen Fahrten durch die Stadt, sei es zur Arbeit oder zum Supermarkt, tut man also schon einen wichtigen Schritt in Richtung Gewicht halten.[1]
Außerdem werden durchs Fahrradfahren die Bein- und Gesäßmuskulatur aufgebaut und gestärkt. Insbesondere Gesäß, Waden und Quadrizeps, aber auch die Adduktoren und die hintere Oberschenkelmuskulatur werden trainiert.[2]
Das Gute am Fahrradfahren verglichen mit Laufen, bei dem die Gelenke durch die Stoßwirkung stärker beansprucht werden, ist, dass die Gelenke gestärkt und gleichzeitig entlastet werden. Das eigene Körpergewicht muss nicht ständig mit sich herumgeschleppt werden, sondern wird vom Fahrrad getragen.
Auch beim E-Bike fahren bewegt man sich!
Skeptiker fragen sich jetzt vielleicht, ob man das dann überhaupt noch als Bewegung bezeichnen kann, wenn die Batterie doch den Bärenanteil übernimmt. Eine Strecke mit einem E-Bike zu bewältigen, ist vielleicht nicht so anstrengend und sportlich wie mit einem normalen Rad, doch in den meisten Alltagssituation fällt die Entscheidung nicht zwischen einem normalen Rad oder einem E-Bike, sondern zwischen Fahrrad und Auto.
Und dass man sich mit einem E-Bike mehr bewegt – die Beine treten trotzdem – liegt auf der Hand.
Fahrradfahren = frische Luft = frischer Kopf = frisches Herz
Zusätzlich kommt noch die Tatsache hinzu, dass man automatisch mehr Zeit draußen an der frischen Luft verbringen würde. Gepaart mit Bewegung ist das ein wahrer Immunsystem-Booster. Vor allem in der kalten Jahreszeit, wenn die Bahn voll hustender, schniefender Menschen ist, ist das Radfahren ein prima Weg, sich und seinem Immunsystem etwas Gutes zu tun.[3]
Fahrradfahren für einen klaren Kopf & Kreativität
Nicht nur äußerlich, sondern auch unseren Körper und Kopf mischt das Fahrradfahren ganz schön auf. Endlich kann man sich in unserer hektischen Welt mal ganz auf sich selbst konzentrieren.
Außerdem fördert es die kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns: Durch die Bewegung wird die Durchblutung des Gehirns gefördert und mehr Sauerstoff gelangt in unser System. Somit kommunizieren verschiedene Teile des Gehirns besser miteinander. Mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren ist quasi fast schon ein Garant für geniale Ideen. 💡
Fahrradfahren macht einfach happy!
Viele von uns verbringen fast 90% unserer Lebenszeit in geschlossenen Räumen. Früher waren das höchstens 30%, also nur die Zeit, in der wir geschlafen haben.
Der Lebenswandel, den wir als Spezies vollzogen haben, ist enorm und bringt so einiges durcheinander. Zum Beispiel unsere innere Uhr. Ohne Tageslicht kann kein Melatonin produziert werden, was dafür sorgt, dass wir später und unruhiger schlafen. Schon 30 Minuten Radfahren pro Tag sorgen laut Forschungen dafür, länger und besser zu schlafen. Zudem reduziert Sonnenlicht die Produktion des Stresshormons Cortisol.[4]
Wenn also mal wieder alles drunter und drüber läuft, hilft es manchmal schon, eine halbe Stunde Fahrrad zu fahren, um wieder ruhiger zu werden. Für alle, die nicht einfach so mal zwischendurch aufs Rad steigen und alles stehen und liegen lassen können: Man muss nicht erst Stress abbauen, wenn er da ist, sondern kann dem ganzen auch vorbeugen, indem man regelmäßiges Radfahren in seinen Alltag integriert.
Fahrradfahren für weniger Feinstaubbelastung und Verkehr
Fahrrad & E-Bike gegen Feinstaubbelastung der Städte
Schon lange ist die Feinstaubbelastung in Städten in aller Munde. Das große Problem bei Feinstaub ist die geringe Größe der Partikel.
Als Faustregel gilt: je kleiner die Partikel, desto gesundheitsschädlicher sind sie. Der Körper kann sie dann nicht mehr über die Atemwege ausscheiden und im schlimmsten Fall gelangen sie ins Blut.[5] Feinstaub wird für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, Lungenkrebs und Diabetes verantwortlich gemacht. Laut Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, wird die Lebenszeit jedes Einzelnen in Deutschland durch Feinstaub um schätzungsweise 2,4 Jahre verkürzt.[6]
Die meisten Menschen denken, dass Autos mit Verbrennungsmotoren die Übeltäter sind. Immerhin ist der Verkehr laut Umweltbundesamt für bis zu 19% des Feinstaubs verantwortlich.
Manche fragen sich jetzt vielleicht, ob es nicht reicht, vom Verbrenner auf ein Elektroauto umzustellen, um den Feinstaub zu reduzieren. Noch vor 30 Jahren wäre das so gewesen. Damals galten Auspuffemissionen als Hauptverursacher von Feinstaub – durch bessere Technik und Partikelfilter sinken diese jedoch seit Jahren. Tatsächlich waren Motoren von Autos bezüglich Feinstaub noch nie so sauber wie heute.
Leider ist der Motor allein nicht das Problem.[7]
Haben wir also gar keinen Einfluss auf die Feinstaubemissionen?
Naja, das stimmt so nicht ganz. Denn sowohl die Fahrweise als auch die Breite der Reifen und die Straßenbeschaffenheit haben einen Einfluss. Autos haben mit ihren Breitreifen mehr Auflagefläche und deshalb einen höheren Abrieb als zum Beispiel Fahrräder. E-Autos sind deshalb nicht die Lösung. Dafür E-Bikes. Denn die effektivste Methode gegen Feinstaub ist ganz einfach das Auto stehen zu lassen. [8]
Mit dem Fahrrad und E-Bike dem Stau davonfahren
Wenn Sie sich jetzt denken „ist ja alles schön und gut, aber wenn ich 15km oder weiter von meiner Arbeitsstelle entfernt wohne, brauche ich ja ewig – das klingt vielleicht ganz nett, aber in der Praxis ist das doch nicht umsetzbar“, dann können folgende Argumente Sie vielleicht vom Gegenteil überzeugen.
Wissen Sie, wieviel Zeit man in Deutschland durchschnittlich pro Jahr mit Im-Stau-Stehen verbringt? 120 Stunden. In großen Städten wie Berlin sind es sogar 154 Stunden.[9] Außerdem stresst uns Stau, ohne dass wir es überhaupt wahrnehmen.[10] Als Radfahrer fährt man gut gelaunt an all den stehenden Autos und an den Fahrern vorbei, deren Stresslevel schon vor dem Frühstück in ungesunde Höhen gestiegen ist.
Wie gefährlich ist Fahrradfahren wirklich?
Kommen wir nun zum Hauptgrund, weshalb viele noch zögern, sich ein Fahrrad und insbesondere ein E-Bike anzuschaffen: die Unfallgefahr.
Man hört ja oft, dass Fahrradfahren so gefährlich ist und dass vor allem die Nutzung von E-Bikes dazu geführt hat, dass die Zahl an Verkehrsunfällen sprunghaft gestiegen ist. Viele haben deswegen Angst, sich ein E-Bike zuzulegen. Vor allem, wenn sie schon länger nicht mehr Fahrrad gefahren sind.
Trotz all dieser Argumente scheint die Unfallstatistik gegen E-Bikes zu sprechen. 2019 sind 445 Radfahrer durch einen Unfall ums Leben gekommen. Verglichen mit 2010 ist dies ein Anstieg um 16,8%. Besonders alarmierend ist das deshalb, weil die Zahl der Verkehrstoten insgesamt rückläufig war, und zwar um 16,5% seit 2010. Relativ betrachtet starben mehr Radfahrer als früher.[11] Im Moment sind Radfahrer also tatsächlich gefährdet und vor allem ältere Menschen, die mit dem Rad unterwegs sind, werden überverhältnismäßig oft tödlich verletzt.
Die Gefahr liegt in der Kombination aus Autos und Fahrrädern
Sollten also ab jetzt alle wieder in die Autos steigen und das Thema Radfahrern als zu gefährlich abhaken? Nein.
Fahrradfahrer selber hingegen trugen nur bei 45% der Fälle selbst die Schuld. Bei Unfällen, in denen Autos verwickelt waren, trugen Radfahrer sogar nur bei 23% die Hauptschuld. Nur, wenn Fußgänger im Spiel waren, lag die Hauptschuld häufiger bei den Radfahrern.[12]
Es gibt hier also scheinbar ein Gefahrengefälle von oben nach unten. Wenn wir die Utopie zu Ende spinnen, und wirklich jede und jeder Radfahren würde, dann wäre die Zahl der Verkehrsunfälle auch deutlich geringer.
Ein Fahrrad oder E-Bike für jede Gelegenheit
Das Gute an einem E-Bike ist auch, dass es wirklich für jede Gelegenheit das passende Rad gibt.
Wenn man einkaufen muss und sich nicht auf dem Fahrrad mit zwei Taschen an jedem Lenker und einem schwer beladenen Rucksack durch den Stadtverkehr quälen will, dann sind E-Lastenräder die perfekte Lösung. Das gleiche gilt auch, wenn man seine Kinder schnell und unkompliziert von A nach B bringen möchte.
Manche Skeptiker denken auch häufig, dass ein E-Bike Probleme mit der Nachhaltigkeit mit sich bringt – und klar: ein „klassisches“ Rad wäre natürlich besser. Aber in den meisten Fällen steht die Entscheidung nicht zwischen einem einfachen Fahrrad oder einem E-Bike an, sondern zwischen einem Auto oder einem E-Bike. Und in diesem Vergleich liegt das E-Bike klar vorne: Der Akku ist kleiner und die CO2-Emissionen sind deutlich geringer als bei einem Auto.
Es gibt noch einen letzten Zweifel, der einfach widerlegt werden kann: Ein E-Bike ist wahnsinnig teuer und wird vielleicht doch nicht so viel benutzt wie gedacht. Für alle, die sich noch nicht sicher sind, dass das E-Bike tatsächlich in Alltagssituationen die bessere Alternative zum Auto ist, bietet es sich an, sich auf dem Gebrauchtradmarkt umzuschauen. Da ist für jeden was dabei, ohne ein Vermögen auszugeben.
Es scheint auf den ersten Blick so, als seien wir noch weit von unserer optimalen Welt voller Fahrräder und ohne Autos entfernt, doch das täuscht. Seit Jahren wird das Fahrradfahren wieder attraktiver, die Branche boomt und immer mehr Menschen steigen regelmäßig auf den Sattel. Wer weiß, vielleicht sind die Städte schneller voller Fahrräder als wir denken…
Autorin
Rebecca Hertlein
Produkt Analystin
Quellen
[1] https://www.vanraam.com/de-de/beratung-inspiration/aktuell/10-grunde,-warum-radfahren-so-gesund-ist
[2] https://www.siroko.com/blogs/de/wie-radfahren-den-korper-verandert-innerlich-und-ausserlich
[3] https://tretwerk.net/blog/radfahren-staerkt-das-immunsystem-und-hilft-erkaeltungen-vorzubeugen/
[4] https://www.vanraam.com/de-de/beratung-inspiration/aktuell/10-grunde,-warum-radfahren-so-gesund-ist
[5] https://www.sueddeutsche.de/auto/feinstaub-verkehr-bremsen-reifen-1.4427241
[6] https://www.sueddeutsche.de/auto/feinstaub-verkehr-bremsen-reifen-1.4427241
[7] https://efahrer.chip.de/news/feinstaub-fahrverbot-warum-es-auch-e-auto-besitzer-treffen-koennte_103769
[8] https://www.sueddeutsche.de/auto/feinstaub-verkehr-bremsen-reifen-1.4427241
[9] https://www.welt.de/vermischtes/article188629459/Stau-So-viel-Zeit-und-Geld-verlieren-die-Deutschen-beim-Warten.html
[10] https://www.autobild.de/artikel/verkehr-stress-studie-1768783.html
[11] https://www.zeit.de/mobilitaet/2020-08/fahrradtote-radfahrer-strassenverkehr-unfall-autos?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
[12] https://www.zeit.de/mobilitaet/2020-08/fahrradtote-radfahrer-strassenverkehr-unfall-autos?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F